Koffein in Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernahrung – eine unterschätzte Aufnahmequelle

Leander Plato, Dirk Lachenmeier, Sibylle Maixner, Manuela Mahler, Winfried Ruge, CVUA Karlsruhe

 

Systematische Untersuchungen zum Koffeingehalt in Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernahrung liegen bislang nicht vor. Das CVUA Karlsruhe hat aus diesem Grund 2015 in einem Schwerpunktprogramm 43 derartige Proben nicht nur in lebensmittelrechtlicher Hinsicht untersucht, sondern umfassend auch unter Berücksichtigung anderer Koffeinquellen, hier vor allem Getränke, beurteilt. Die Sachverständigen im CVUA Karlsruhe haben die nun vorliegenden Ergebnisse ausgewertet und kommen zu folgendem Fazit: Besonders wenn Verbraucherinnen und Verbraucher koffeinhaltige Nahrungsergänzungsmittel oder Sportlernahrung gemeinsam mit koffeinhaltigen Energy-Drinks verzehren, nehmen sie Koffein in Mengen auf, die die empfohlenen Verzehrsmengen sehr leicht überschreiten können.

Infokasten

Was ist Koffein und wie wirkt es?

Koffein ist ein natürlich vorkommendes Alkaloid, das neben Theophyllin und Theobromin zu den sogenannten Methylxanthinen gehört. Seit dem 6. Jahrhundert werden diese Stoffe vor allem über die Nutzpflanzen Coffea canephora und Coffea arabica, Camellia sinensis, Cola nitida und Theobroma cacao in Form von Kaffee-, Tee-, Kakao- und Cola-Getränken verzehrt [1,9]. Immer häufiger wird auch Guarana aus der Pflanze Paullinia cupana und Mate aus der Pflanze Ilex paraguariensis als Koffeinquelle genutzt [11,12].

Während in einer Tasse Kakao nur ca. 10 mg Koffein enthalten sind, kann eine Dose (0,33 L) Cola bereits 30-40 mg, eine Tasse Schwarztee (0,2 L) ca. 50-75 mg und eine Tasse starker Kaffee bis zu 120 mg Koffein enthalten [1,10,14]. Dabei schwanken die Koffeinkonzentrationen, vor allem in Tee- und Kaffeeerzeugnissen, jedoch stark - je nach Sorte, Zubereitungsweise und Hersteller [9]. Guarana und Mate sind dagegen oft in Energy-Drinks, „belebenden“ Erfrischungsgetränken und „Lifestyle-Lebensmitteln“, wie Nahrungsergänzungsmitteln, enthalten. Aber auch immer häufiger wird Koffein als Reinsubstanz oder in Form der genannten natürlichen Rohstoffe zu Sportlernahrung beigemischt [13].

Koffein blockiert eine körpereigene, dämpfende Substanz (Adenosin). Die Verdrängung des Adenosins findet sowohl in Neuronen im Gehirn als auch in glatten, Skelett- und Herzmuskelzellen statt. Somit wirkt Koffein in mehrerlei Hinsicht:

·        Wachheitsgrad und Konzentration werden gesteigert.

·        Herzfrequenz und –schlagkraft werden erhöht.

·        Die Bronchien werden weitgestellt, das Atmen wird erleichtert.

·        Die Blutgefäße werden enger gestellt, die Folge sind Blutdrucksteigerungen.

 

Bei sehr hohen Dosen können jedoch Krämpfe, Unruhe, Schlafstörungen, Angst, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Außerdem wirkt Koffein diuretisch (harntreibend) und steigert die Magensäureproduktion, was einigen Kaffeetrinkern negativ auffällt [1,2,9,13].

 

Koffein besitzt viele Eigenschaften, die volkstümlich nur „Drogen“ zugeschrieben werden: Es führt zu psychischer und körperlicher Abhängigkeit und der Körper reagiert mit Toleranzentwicklung auf die Einnahme. In Folge dessen müssen, um den gleichen Effekt zu erzielen, immer größere Mengen eingenommen werden. Bereits nach täglicher Einnahme von nur 100 mg (1 Tasse starker Kaffee), kann es bei Absetzen zu entzugsartigen Erscheinungen wie Kopfschmerzen und Müdigkeit kommen. Diese klingen aber über einige Tage rückstandslos wieder ab. Bei angemessener Dosierung und chronischer Einnahme von Koffein ist also keine dauerhafte Schädigung des Körpers wie bei „harten Drogen“ zu verzeichnen [1,9].

All diese Eigenschaften machen Koffein zum meistgenutzten pharmakologisch wirksamen Stoff weltweit [1,13].

 

 

Koffeinaufnahme in Deutschland

2015 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (engl. European Food Safety Authority, kurz: EFSA) die Sicherheit von Koffein erstmals bewertet. Die EFSA kommt zu dem Schluss, dass Koffein in Einmaldosen für gesunde Erwachsene bis zu 200 mg bzw. ca. 3 mg/kg Körpergewicht zu keinen negativen Gesundheitsbeeinflussungen führt. Höhere Dosen, vor allem vor sportlichen Anstrengungen, können durch verminderte Erschöpfungserscheinungen zu verlängerter Trainingsdauer und/oder Überbeanspruchungen des Körpers führen. Dies kann nachfolgend Gefahren für das Herz-Kreislaufsystem und den Bewegungsapparat mit sich bringen [3].

 

Bei gewohnheitsmäßiger Aufnahme von Koffein gilt für gesunde Erwachsene eine Gesamttagesdosis aus allen Koffeinquellen von 350 bis 400 mg/Tag als unbedenklich [3,16]. Dabei ist jedoch zu erwähnen, dass es sich dabei um Erfahrungswerte für gesunde Erwachsene handelt. Menschen mit Krankheiten oder die unter Medikation stehen, sind in der EFSA Bewertung nicht eingeschlossen. Außerdem ist bekannt, dass die Empfindlichkeit - teilweise erblich bedingt - innerhalb der Bevölkerung sehr unterschiedlich ist und die Abbaugeschwindigkeit von Koffein stark beeinflusst (Halbwertszeiten von 2 bis 8 h, Mittelwert: 4 h). Auch und besonders aus diesem Grund sollte die empfohlene Verzehrsmenge von 400 mg/Tag nicht überschritten werden [1,3].

 

Die EFSA-Stellungnahme hat die Daten auch mithilfe der deutschen nationalen Verzehrsstudie II von 2007 erhoben. Bereits damals lagen die im Mittel zu sich genommenen Koffeinmengen für die tägliche, chronische Aufnahme bei Jugendlichen mit einem Durchschnittsalter von 16 Jahren bei ca. 60 mg/Tag und bei Erwachsenen bei ca. 240 mg/Tag. Als einmalige Tagesmenge wurden bei 95% der Jugendlichen ca. 240 mg und bei 95% der Erwachsenen ca. 560 mg nicht überschritten. Letztere Werte sind, besonders im Zusammenhang mit der im Laufe der Zeit sicherlich noch gestiegenen Vermarktung und Beliebtheit koffeinhaltiger Getränke, durchaus als hoch anzusehen und liegen auch im innereuropäischen Vergleich in den oberen Rängen [3,15,16]. Eine Erhebung unter Studierenden (n = 181) hat als Hauptaufnahmequellen Kaffee und Tee ausgemacht und eine mittlere Aufnahmemenge von 105 – 130 mg/Werktag ermittelt. Unter den Befragten gaben nur 5 bis 16 % an, komplett auf Koffeingenuss zu verzichten. Einige Studierende konsumierten allerdings auch bis zu 645 mg/Tag [16]. Auch bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland wird die von Health Canada für diese Konsumentengruppe empfohlene Höchstaufnahmemenge von 2,5 mg/kg Körpergewicht bereits teilweise überschritten. Ein Überschreitungsrisiko besteht anhand der ermittelten Aufnahmemengen allerdings nur bei einer sehr kleinen Gruppe (< 5 %) gewohnheitsmäßiger, teilweise exzessiver Konsumenten [17,18]. Energydrinks tragen dazu jedoch nur geringfügig bei [16,17]. Gegebenenfalls zusätzlich aufgenommene Sportlernahrung und Nahrungsergänzungsmittel wurden bei keiner der genannten Studien mit eingeschlossen.

 

Untersuchungsergebnisse Koffeingehalt in Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernahrung

Das CVUA Karlsruhe hat im Jahr 2015 insgesamt 43 Nahrungsergänzungsmittel und Sportlernahrungsprodukte überprüft, bei denen Koffein oder koffeinenthaltende Rohstoffe deklariert waren.

Lebensmittelrechtliche Beurteilung der Proben:

Davon waren 17 Proben zu beanstanden (Quote: ca. 40 %). Am häufigsten kamen Kennzeichnungsmängel vor (16 Proben, 37 %), zum Teil mit mehreren Mängeln bei einer Probe. Diese betrafen zum Beispiel fehlende Pflichtangaben nach EU-Verordnung 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung) oder der nationalen Nahrungsergänzungsmittelverordnung. Häufig gab es weitere Mängel beispielsweise in Bezug auf unzulässige gesundheitsbezogene Angaben („Health Claims“, 5 Proben, 12 %) oder die Verwendung nicht zugelassener Zusatzstoffe (5 Proben, 12 %). Bei 7 Proben (16 %) wurden Angaben bemängelt, die Verbraucherinnen und Verbraucher täuschen können.

((Kasten:)) 

 

Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der auf Koffein untersuchten Nahrungsergänzungsmittel und Sportlernahrung. Dabei gibt die letzte Spalte die Ausschöpfung der von der EFSA empfohlenen maximalen Tagesdosis von 400 mg/Tag an, wenn man die vom Hersteller empfohlene Tagesverzehrsmenge einnimmt


 

Tabelle 1: Koffeingehalt von Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernahrung

Gruppe

Anzahl der Proben
[n]

Koffeingehalt
[mg/100 g bzw. mg/100 mL]

tägl. Koffeinaufnahme laut Verzehrsempfehlung und analysiertem Koffeingehalt [mg/Tag]

Ausschöpfung der EFSA-Empfehlung (400 mg/Tag) bei dieser Verzehrs­menge [%]

Kapseln

13

245 - 18034

3 - 450

1 - 113

Brause- und Kautabletten

6

1847 - 2893

75 - 76

19

Pulver

12

344 - 3534

63 - 400

16 - 100

Riegel/Gele

2

144 - 182

79 - 122

20 - 31

Shots/Flüssigkeiten

10

146 - 1811

15 - 362

4 - 91

 

Bereits Mitte 2015 wertete das CVUA Karlsruhe Untersuchungsdaten aus den Jahren 2010 – 2014 aus und erstellte daraus Statistiken zur Entwicklung des Koffeingehalts verschiedener Getränke [14]. Tabelle 2 stellt die mittleren Koffeingehalte von verschiedenen Getränkegruppen zum Vergleich zu den in Tabelle 1 angegebenen Koffeingehalte der 2015 untersuchten Produktgruppen dar.

 

Tabelle 2: Mittlerer Koffeingehalt von 2010-2014 untersuchten Getränken, Anlehnung an [14]

Getränk

Anzahl der Proben
[n]

Mittelwert der Koffeingehalte ± SD* [mg/100 mL fertiges Getränk]

Kaffee

64

58 ± 23

Tee

210

37 ± 22

Cola

444

10 ± 4

Energy-Drink

448

29 ± 5

Energy-Shot

8

142 ± 19

* SD = Standardabweichung (Streubreite der Messwerte)

 

 

Schlussfolgerungen

 Die Koffeingehalte in Produkten wie Kaffee und Tee schwanken naturgemäß, jedoch sind auch in Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernahrung extreme Spannweiten zu finden. Dies ist teilweise absichtlich und teilweise den unterschiedlichen Zweckbestimmungen geschuldet. Besondere Aufmerksamkeit ist somit geboten, wenn solche Mittel zusammen mit koffeinhaltigen Getränken, insbesondere den hochdosierten Energy-Shots, aufgenommen werden. Oftmals überschreitet bereits die Einzeldosis eines Nahrungsergänzungsmittels die als unbedenklich geltende Menge von 200 mg Koffein. Auch die Tagesgesamtverzehrsmenge von Koffein wird teilweise durch den anweisungskonformen Verzehr der Nahrungsergänzungsmittel komplett ausgeschöpft oder leicht überschritten. Wer zusätzlich die durchschnittliche Menge von 240 mg Koffein/Tag aus Getränken zu sich nimmt, kann somit die als unbedenklich geltende Menge von 400 mg/Tag aus der EFSA-Empfehlung  erheblich überschreiten. Die EFSA hat in ihrer Expositionsabschätzung Nahrungsergänzungsmittel und Sportlernahrung als zusätzlich mögliche Koffeinaufnahmequelle nicht berücksichtigt. Das CVUA Karlsruhe wird die Problematik weiterverfolgen und in die fachliche Diskussion einbringen mit dem Ziel, dass bundesweit Daten zum Koffeingehalt dieser Produktgruppe gesammelt und der EFSA für künftige Expositionsabschätzungen zur Verfügung gestellt werden.

 

Literatur

[1] Forth, Henschler, Rummel, Starke: allgemeine Pharmakologie und Toxikologie, 7. Auflage, 1998, Spektrum akademischer Verlag, Heidelberg

[2] Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, 5. Auflage, 1993, Springer Verlag, Heidelberg

[3] EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA), 2015, Scientific Opinion on the safety of caffeine, EFSA Journal, 13, 4102

[4] Anlassbezogene Befragung von Hochverzehrern von Energy-Drinks, BfR-Wissenschaft 06/2013

[5] EU-Verordnung 1169/2011, letzte konsolidierte Fassung vom 19.02.2014, Art. 10 i.V.m. Anhang III

[6] https://meyerlegal.wordpress.com/2013/07/18/gehts-noch-koffein-claims-weiter-on-hold/, abgerufen: 05.01.16

[7] Meisterenst und Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 10. Akt-Lfg. 04/10

[8] Meisterenst und Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 17. Akt-Lfg. 07/12

[9] Waizenegger et al., 2011, Caffeine Exposure in Children and Adolecents Consuming Reay-to-Drink- Coffee Products, Journal of Caffeine Research, 1, 200-205

[10] Factsheet der EFSA zu Koffein, abgerufen am 05.01.16

[11] Wegert et al., 2012, Regulatory Control of Energy Drinks Using 1H NMR Spectroscopy, Lebensmittelchemie, 66, 129-168

[12] Winkler et al., 2014, Mate – ein “neuer”, koffeinhaltiger Rohstoff für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Ernährungs-Umschau, 61, 160–163

[13] Lachenmeier et al., 2012, What is food and what is a medicinal product in the European Union? Use of the benchmark dose (BMD) methodology to define a threshold for “pharmacological action”, Regulatroy Toxicology and Pharamcology, 64, 286-296

[14] Gmeiner et al., 2015, Entwicklung des Koffeingehaltes in Cola, Energy-Drinks und Energy-Shots, Internetbeitrag des CVUA KA erschienen am 02.06.2015

[15] Lachenmeier & Winkler, 2013, Caffeine Content Labeling: A Prudent Public Health Policy? Journal of Caffeine Research, 3, 154-155

[16] Bühler E et al., 2013, Development of a tool to assess caffeine intake among teenagers and young adults, Ernährungs-Umschau, 61, 58-63

[17] Lachenmeier et al., 2013, Caffeine Intake from Beverages in German Children, Adolscents, and Adults, Journal of Caffeine Research, 3, 47-53

[18] Health Canada (2012), Caffeine in Food, Abrufdatum 11.01.15

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 09.02.2016