Lykopin - das "Tomaten-Vitamin"?

Stand: 20.07.2017    Drucken
Der irrtümlich als Vitamin bezeichnete sekundäre Pflanzeninhaltsstoff soll bei zahlreichen Problemen Abhilfe schaffen. Dies ist jedoch nicht ausreichend belegt.
Wirkung nicht bewiesenDas Wichtigste in Kürze:
  • Lykopin-haltige Nahrungsergänzungsmittel sollen die Gesundheit
    von Herz, Augen, Prostata erhalten und die Haut vor UV-Strahlen schützen.
  • Keine dieser Aussagen zu isoliertem Lykopin gilt als wissenschaftlich gesichert.
  • Besonders Lebensmittel, die Lykopin enthalten, sind frische und verarbeitete Tomaten.
  • Auf Nahrungsergänzungsmittel mit Lykopin sollte aufgrund fehlender Studien zur Wirkung und Toxizität besser verzichtet werden.

Was steckt hinter der Werbung zu Lykopin?

Auge des alten Menschen 116179847_S_
Foto: Syda Productions / Fotolia.com

Lykopin wird unter anderem als Tomaten-Vitamin bezeichnet, das aufgrund seiner antioxidativen Eigenschaften zellprotektive Wirkung haben soll. So wird es mit den Schutz von Herz, Augen und Prostata beworben. Zudem soll es die Haut vor schädlichen UV-Strahlen schützen und somit Alterungsprozessen vorbeugen. Für keine dieser Behauptungen gibt es gemäß Europäischer Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) ausreichend wissenschaftliche Belege. Daher setzen die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die Lykopin enthalten, ihren Produkten häufig noch andere Nährstoffe zu, für die gesundheitsbezogene Angaben erlaubt sind.

Lediglich für ein wasserlösliches Tomatenkonzentrat (Water Soluble Tomato Concentrate - WSTC I + II) ist die Werbeaussage "fördert die normale Blutplättchenaggregation und trägt zu einem gesunden Blutfluss bei" zugelassen. Produkte, die dieses wasserlösliche Tomatenkonzentrat enthalten, müssen jedoch zudem folgenden Verbraucherhinweis tragen: "Eine positive Wirkung ist nur zu erreichen, wenn täglich 3 g WSTC I oder 150 mg WSTC II als Nahrungsergänzungsmittel, zusammen mit einem Glas Wasser oder anderer Flüssigkeit, eingenommen werden."

In einzelnen Studien konnte ein Zusammenhang zwischen hohem Tomatenverzehr und verringertem Krebsrisiko vor allem für Prostata-, Lungen- und Magenkrebs nachgewiesen werden. Dabei unterdrücken Tomatenprodukte in der frühen Phase der Krebsentstehung die Umwandlung vorgeschädigter Zellen in Krebszellen. Die Einnahme von isoliertem Lykopin, wie es in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden ist, zeigte dagegen keinen Effekt. Unabhängig davon ist die krankheitsbezogene Werbung für Lebensmittel - und so auch für Nahrungsergänzungsmittel - generell verboten.

Was ist Lykopin?

Lykopin wird oftmals als "Tomaten-Vitamin" beworben, obwohl es sich dabei gar nicht um ein Vitamin handelt. Tatsächlich ist es ein Carotinoid (gelblich bis rötlicher Farbstoff) und gehört somit zu den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Zu den besonders Lebensmitteln, die Lykopin enthalten, zählen vor allem Tomaten. Insgesamt macht das Lykopin etwa 90 % des Gesamt-Carotin-Gehaltes der Tomate aus und ist vorwiegend in der Schale zu finden. Gute Lykopin-Quellen sind beispielsweise Tomatenprodukte wie Tomatenmark, -suppen, -soßen und -saft. Zudem ist es in Wassermelonen, rosa Grapefruits, Papayas, Guaven und Hagebutten enthalten. In Deutschland liegt die Lykopin-Zufuhr durchschnittlich bei 1,3 mg pro Tag.

Lykopin ist hitzestabil, sodass ein Großteil beim Kochen (bis zu 90 %) erhalten bleibt. Zudem kann das Lykopin aus erhitzten und verarbeiteten Lebensmitteln besser vom Körper aufgenommen werden. So enthalten Konserventomaten fast die doppelte Menge an verfügbarem Lykopin (rund 10 mg/100 g) im Vergleich zu frischen Tomaten (5,8 mg/100 g). Die Fähigkeit des Körpers Lykopin aufzunehmen nimmt mit zunehmenden Alter ab.

Neben dem natürlich in Lebensmitteln vorkommenden Lykopin gibt es noch das als neuartige Lebensmittelzutat zugelassene Lykopin aus dem Pilz Blakeslea trispora sowie das synthetische Lykopin. Beide dürfen in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt werden. Zusätzlich werden auch Gac-Öl-Kapseln aus der vietnamesischen Gac-Frucht als Nahrungs­ergänzungsmittel angeboten. Diese enthalten neben dem Lykopin noch Beta-Carotin.

Weiterhin ist Lykopin als Zusatzstoff E 160d in bestimmten Lebensmitteln zugelassen. So wird er zur Färbung z.B. von Pasteten, Fisch, Krustentieren, Fisch- und Fleischersatzprodukten eingesetzt. Dabei dürfen gesetzlich festgelegte Höchstmengen von 100-500 mg pro Kilogramm des entsprechenden Lebensmittels nicht überschritten werden. Die Verwendung von synthetischem Lykopin als Zusatzstoff ist verboten.

Was sollte ich bei der Verwendung Lykopin-haltiger Nahrungsergänzungsmittel beachten?

Quantitative Zufuhrempfehlungen für die wünschenswerte Aufnahme von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, so auch für Lykopin, gibt es bislang nicht. Eine Ausnahme bildet lediglich das Beta-Carotin (Provitamin A). Der von der EFSA festgelegt Grenzwert für die vertretbare tägliche Gesamtaufnahme von Lykopin beträgt 0,5 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Dieser Wert kann von bestimmten Bevölkerungsgruppen (z.B. Vorschul- und Schulkindern), die große Mengen Lebensmittel, die Lykopin enthalten, zu sich nehmen, möglicherweise überschritten werden.

Von der Zufuhr von isolierten Lykopin in Form von Tabletten, Kapseln & Co. würden wir abraten, da weder Wirkungsnachweise noch Toxizitätsstudien zur Langzeitwirkung vorliegen.

Tipp
  • Wer Lykopin zu sich nehmen möchte, kann dies am besten in Form von Tomatenmark (1 Esslöffel pro Tag) tun. Grundsätzlich sind aber alle erhitzten tomatenhaltige Produkte gute Lykopinquellen.
  • Alternativen zu frischem Gemüse sind Gemüsesäfte (Tomate, Möhre, Rote Beete etc.).

Quellen:


EFSA (2015): Statement on the post-marketing monitoring of the use of lycopene. EFSA Journal 13 (1): 3955 [11pp.]. doi:10.2903/j.efsa.2015.3955. Zugriff: 22.12.2016

Ellinger S, Ellinger J, Stehle P (2007): Tomaten, Tomatenprodukte und Lykopin in der Prävention und Therapie des Prostatakarzinoms- Was ist gesichert? Ernährungsumschau 54 (6): 318-323. Zugriff: 22.12.2016

Entscheidung der Kommission 2006/721/EG vom 23.10.06. Zugriff: 22.12.2016

Entscheidung der Kommission 2009/362/EG vom 30.04.09. Zugriff: 22.12.2016

Entscheidung der Kommission 2009/980/EU vom 17.12.09 Zugriff: 22.12.2016

Ishida BK (2004): Fatty acid and carotenoid composition of gac (Momordica cochinchinensis Spreng) fruit. J Agric Food Chem. 52 (2): 274-279. Zugriff: 22.12.2016

Gartner C; Stahl W; Sies H (1997): Lycopene is more bioavailable from tomato paste than from fresh tomatoes. Am J Clin Nutr 66: 115-122. Zugriff: 02.12.2016

NN (2004): Vergleich der postprandialen Carotinoidkonzentration in den Chylomikronen bei jungen und älteren Personen. IME Wissenschaftlicher Informationsdienst Nr. 2. Zugriff: 02.12.2016

Pelz R, Schmidt-Faber B, Heseker H (1998): Die Carotinoidzufuhr in der nationalen Verzehrsstudie. Zschr Ernährungswiss 37: 319-327. Zugriff: 02.12.2016