Rein pflanzlich heißt nicht immer harmlos

Stand: 13.01.2017    Drucken
Exotische "gesundheitsförderliche" Pflanzen in Nahrungsergänzungsmitteln boomen. Doch "natürlich" heißt nicht unbedingt "sicher"! Bestimmte Pflanzen sind gefährlich.
Achtung! Kann der Gesundheit schaden!Das Wichtigste in Kürze:
  • Egal wie natürlich sie daherkommen: Pflanzen und Pflanzenextrakte können durchaus (sehr) gesundheitsschädliche Stoffe enthalten.
  • Lediglich 18 bedeutende Pflanzen wurden auf ihre Schädlichkeit hin wissenschaftlich bewertet.
  • Bisher fehlen gesetzliche Verbotslisten für solche Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. Einziges Verbot: Ephedra-Kraut. Bei allen anderen ist der Hersteller/Vertreiber für die Sicherheit verantwortlich.

Exotische Pflanzen boomen

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Foto: Marina Lohrbach / Fotolia.com

Besonders bei den Nahrungs­ergänzungsmitteln boomt der Markt mit exotischen Pflanzen und Pflanzen­zubereitungen ("Botanical preparation") als Zutaten. Den Pflanzen, Algen und Pilzen ("Botanicals") wird in der Regel irgendeine außergewöhnliche - meist gesundheitsfördernde - Wirkung zugesprochen. Häufig werben die Anbieter mit "Natürlichkeit" und lassen den Eindruck entstehen, dass die Präparate deshalb auch sicher seien. Doch das ist ein Trugschluss. Nicht immer handelt es sich um harmlose Kräutermittel, Häufig verbergen sich unerforschte und teilweise giftige Substanzen dahinter.

Das Problem: Für diese Zutaten braucht man keine amtliche Zulassung. Deshalb prüft keine Behörde, wie sie wirken und ob sie gesundheitlich unbedenklich sind, bevor sie auf den Markt kommen. Alleine der sogenannte Inverkehrbringer (Hersteller, Verpacker oder Verkäufer) ist für die Sicherheit verantwortlich. Wenn dieser aber im Ausland sitzt, ist es schwer, ihn zur Verantwortung zu ziehen.

Auch für die Lebensmittel­überwachung ist das nicht ganz einfach, da es keine rechtsverbindliche Liste der in Nahrungs­ergänzungsmitteln zugelassenen Pflanzen gibt.

Einen ersten Anhaltspunkt über die Sicherheit sowie die Eingruppierung der Pflanzen als Lebensmittel oder Arzneimittel liefert die Stoffliste für Pflanzen und Pflanzenteile vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Diese Liste mit etwa 600 Pflanzen soll der einheitlichen Einschätzung der deutschen Lebensmittel­überwachungsbehörden dienen, ist aber bisher nicht rechtsverbindlich. Hinzu kommt, dass Pflanzenextrakte bei Lebensmitteln nicht standardisiert sind (es gibt keine Vorgaben zur Herstellung und Zusammensetzung), sodass es letztendlich doch immer wieder zu Einzelfall­bewertungen kommen muss. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 18 bedeutsame Pflanzen und pflanzliche Zubereitungen ausgewählt und sie auf ihre gesundheitliche Wirkung hin überprüft.

Verbotene gesundheitsschädliche Pflanzen

Acht pflanzliche Stoffe wurden vom BfR als gesundheitsschädlich eingestuft! Sie gelten daher als unsichere Zutat in Nahrungsergänzungsmitteln und sind damit nicht erlaubt.

  • Eisenhut (Aconitum spp.): gilt als die giftigste Pflanzengattung Europas. Eine Vergiftung führt zu schweren Störungen der Nerven, des Herz-Kreislauf-Systems und des Verdauungsapparates bis hin zum Tod. Ein Gegenmittel ist bis heute nicht bekannt.
  • Fingerhut (Digitalis spp.): besitzt ein breites Vergiftungsspektrum mit langanhaltender Wirkung
  • Meerträubel (Ephedra spp.): wirkt stimulierend auf den Kreislauf mit der großen Gefahr von Übelkeit, Herzrasen, Angstzuständen, Schlaflosigkeit bis hin zu lebensbedrohlichen Folgen. Die Verwendung als Zutat in Nahrungsergänzungsmitteln ist in den USA und in der EU mittlerweile verboten.
  • Weißer Stechapfel (Datura stramonium): Blätter werden in der traditionellen Heilkunde bei Asthma und Bronchitis eingesetzt. Unkontrollierte Einnahmen können zu Vergiftungen mit tödlichem Ausgang führen.
  • Wurmfarn (Dryopteris filix-mas): Bei innerer Anwendung drohen zahlreiche Vergiftungs­erscheinungen, auch mit tödlichem Ausgang durch Krampfanfälle oder Atemlähmung.
  • Aztekensalbei (Salvia divinorum Epling & Jativa): halluzinogene Drogen mit hohem Missbrauchspotential
  • Aristolochia (Aristolochia spp.): Schon in geringer Dosis kann der Stoff die Nieren schädigen, das Erbgut verändern und Krebs erregen. In Deutschland sind Aristolochia-haltige Arzneimittel bereits seit 1981 (vom damaligen Bundesgesundheitsamt) verboten.
  • Schlangenwurzel (Rauvolfia serpentina): Eine Vergiftung führt zu schweren Störungen der Nerven, des Herz-Kreislauf-Systems und des Verdauungsapparates, was auch langfristige Schäden zur Folge haben kann
  • Khat (Catha edulis) müsste, so die Empfehlung des BfR, aufgrund von psychoaktiven Inhaltsstoffen, die unter anderem das Fahrvermögen beeinträchtigen können, als Droge eingestuft werden.

Ephedrakraut (Ephedrin, Ephedra) ist seit 2015 sogar per europäischem Gesetz (VO (EU) 2015/403) verboten. 2013 hatte die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA festgestellt, dass Ephedra-haltige Nahrungs­ergänzungsmittel, die in der Regel zur Gewichtsreduktion oder zur Verbesserung der sportlichen Leistung eingesetzt werden, oder Kräutertees mit Ephedrakraut über das Internet erhältlich sind. Die in Nahrungsergänzungsmitteln enthaltenen Mengen Ephedra-Alkaloide oder Ephedrin können der therapeutischen Dosis in Arzneimitteln entsprechen oder diese sogar übersteigen. Das kann schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und das zentrale Nervensystem (wie Bluthochdruck oder Schlaganfälle) haben. Durch eine kombinierte Aufnahme mit Koffein können diese noch verstärkt werden.

Wissenschaftliche Daten fehlen

Für sechs weitere Pflanzenstoffe fehlen Informationen zur Gesundheitsgefahr, oder es existieren wissenschaftliche Unsicherheiten. Bis eindeutige Studien zur Sicherheit vorliegen, sollte diese Zutaten besser nicht mit Nahrungsergänzungsmitteln verzehrt werden:

  • Schlafbeere (Withania somnifera)
  • Kudzuwurzel (Pueraria lobata)
  • Erdstachelnuss (Tribulus terrestris)
  • Wermut (Artemisia absinthium)
  • Geißkraut (Galega officinalis L.)
  • Yohimbe (Pausinystalia yohimbe)

Immerhin wurde Yohimbe 2015 mit der EU-Verordnung 2015/403 als ein Stoff eingestuft, dessen Verwendung in Lebensmitteln von der Gemeinschaft geprüft werden soll (gemäß Anhang III, Teil C, VO (EG) 1925/2006). Damit gehört er – obwohl im Internet oft so angeboten - nicht in Nahrungsergänzungsmittel.

Tipp
Grundsätzlich vorsichtig sein sollten Sie bei der Verwendung von Pflanzen und Pflanzen­zubereitungen, wenn Sie chronisch krank sind und/oder regelmäßig Medikamente einnehmen müssen. Hier sind Wechselwirkungen möglich. Gesundheitliche Bedenken diesbezüglich das das BfR beispielsweise bei Gojibeeren.

Übrigens: Als "rein natürlich" angepriesene Nahrungs­ergänzungsmittel aus dem Internet, speziell solche zur Gewichtsreduktion, zur Potenzsteigerung oder zur Leistungssteigerung, enthalten häufig nicht deklarierte illegale Arzneiwirkstoffe. Vorsicht, wenn solche Erzeugnisse in Internetforen als besonders wirksam beschrieben werden.

Wie gezeigt fehlen hinsichtlich der Pflanzenstoffe aus Sicht des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes zahlreiche gesetzliche Maßnahmen. Hier finden Sie den diesbezügliche Forderungskatalog der Verbraucherzentralen.


Quellen:


BVL (2014): Stoffliste des Bundes und der Bundesländer für die Kategorie "Pflanzen und Pflanzenteile". Stand: 09.09.2014

Bundesinstitut für Risikobewertung (2013): Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen, BfR-Wissenschaft 12/2013), 2. ergänzte Auflage

Verordnung (EU) 2015/403 vom 11. März 2015 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Ephedra-Arten und Yohimbe (Pausinystalia Yohimbe (K. Schum) Pierre ex Beille)

EFSA-Gremium für Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmitteln zugesetzte Nährstoffquellen (ANS-Gremium) (2013): Scientific Opinion on safety evaluation of Ephedra species for use in food. EFSA Journal 2013;11(11):3467.